Disziplin im Musikunterricht an der Primarschule

 

In meinen Praktikumsbesuchen bei den angehenden Lehrerinnen und Lehrern habe ich in den letzten Jahre vieles beobachten können, was direkten Einfluss hat auf die Disziplin im Musikunterricht.

Grundsätzliche Ueberlegungen:

Der Musikunterricht nimmt im Schulleben des Kindes einen besonderen Stellenwert ein: Dies haben unzählige Untersuchungen zum Thema gezeigt.

Diese Feststellung gilt aber nicht nur für den Inhalt des vermittelten Stoffes und dessen Auswirkung auf das Kind, sondern auch genau so für die Art, wie dieser Stoff dem Kind vermittelt wird.

Was ich damit meine:

Bezüglich Eigenaktivität des Kindes im Unterricht gehört das Fach MUSIK sicher eher in die Fächergruppe Sport-Werken-Zeichnen als in die Gruppe M&U-Deutsch-Mathe. Das heisst, die Musik gehört zu den Fächern, in welchen die Kinder aktiv werden, in denen sie sich bewegen und sehr spontan das umzusetzen versuchen, was ihnen die Lehrperson soeben vorgemacht hat. Dies hat zur Folge, dass der Musikunterricht (für Aussenstehende) sehr schnell ungeordnet aussieht, ja geradezu chaotisch wirkt.

Wir alle wissen, dass es für die "Ruhe im Schulzimmer" keine Patentrezepte gibt. Jedoch: Anlässlich meiner Schulbesuche habe ich von meinen Praktikantinnen und Praktikanten vieles gelernt, was man sozusagen als Grundlage für einen einigermassen "geordneten" Musikunterricht bezeichnen könnte.


 

  • Organisation:

HILFE! Ich soll mit meiner Klasse (24 Schüler) Orff-Begleitungen einstudieren. Da hängt doch mindestens die Hälfte der Klasse bloss herum und hat nichts zu tun!

Organisation ist das "A und O" des Musikunterrichts. Wenn Sie von Ihrer Orff-Musiklektion erwarten, dass jedes Kind zu jeder Zeit beschäftigt ist, dann gehen Sie von einer völlig falschen Grundlage aus. Gerade der Musikunterricht gibt den Kindern eine Chance, warten zu lernen. Es gibt ganz verschiedene Gründe, wieso das Kind in der Musiklektion warten lernen muss: Der Lehrer erklärt einer Gruppe von Kindern, wie sie ihr Instrument bedienen müssen / der Lehrer erklärt einer Gruppe von Kindern einen Rhythmus / es hat nicht für alle Kinder genügend Instrumente - usw., usw.


 

  • Vor- und Nachmachen zwischen Lehrer und Kind

Auch hier unterscheidet sich der Musikunterricht ganz entschieden vom Mathe-Unterricht oder vom M&U-Unterricht: Wenn Sie in Mathe eine Aufgabe erklärt haben oder ein neues Thema eingeführt haben, können Sie nicht ohne weiteres feststellen, ob alle Kinder die Sache begriffen haben. Vielleicht entdecken Sie erst bei der Kontrolle der Hausaufgaben oder sogar erst bei der Korrektur der Prüfung, dass nicht alle Kinder verstanden haben, worum es geht.

Bei der Musik verhält es sich anders: Sie können 1:1 miterleben, welche Kinder den von Ihnen gezeigten Rhythmus "be-griffen" haben und welche nicht. Jedes Nicht-Begreifen hat Unsicherheit zur Folge; und diese "stört" den Gesamtablauf. Die Folge: es entsteht Unruhe!

Es ist ganz klar, dass in den oberen Stufen der Primarschule zum Beispiel das Rhythmus-Lesen vom Kind auch theoretisch erfasst werden müsste. Diese theoretischen Erkenntnisse werden dem Kind aber nie von grossem Nutzen sein, wenn es die Rhythmen nicht x-mal ausprobiert durfte: an seinem eigenen Körper, auf Schlaginstrumenten usw.


 

  • Die Fähigkeit, das Arbeiten einer anderen Gruppe (aktiv oder passiv) mitzuverfolgen

Wenn Sie als LehrerIn den Begriff "mitverfolgen" mit "Nichtstun" gleichsetzen, dürfte es wirklich schwierig werden, eine Orff-Stunde durchzuführen. Sobald Sie aber ein Gleichgewicht finden zwischen aktivem und "passivem" Mitmachen der Kinder, haben Sie gewonnen. Es ist keinesfalls so, dass die zuschauenden Kinder nichts tun dürfen. Gerade beim Rhythmus trainieren gibt es unzählige Möglichkeiten, auch jene SchülerInnen mitmachen zu lassen, die im Moment kein Rhythmusinstrument zur Hand haben: Mit Sprechen, mit Bewegen, mit Einbezug des Körpers als Rhythmusinstrument usw.

Das Gleiche beim Erarbeiten von Orff-Stimmen: Wieso nicht die "passiven" (zuschauenden) Kinder mitmachen lassen, indem sie genau dann auf einen (fiktiven) Xylophonstab schlagen, wenn ihr Kollege am Xylophon darauf schlägt. Das heisst, nicht nur das am Xylophon sitzende Kind schlägt zur richtigen Zeit, sondern die ganze Gruppe von Kindern, die diesem Kind zugeordnet ist. Der Vorteil liegt auf der Hand: Nicht nur das "aktive" Kind am Xylophon lernt zur richtigen Zeit auf seinen Stab zu schlagen, sondern gleich die ganze Gruppe. Sie können später jedes Kind aus dieser Gruppe ans Xylophon setzen – und ohne grosse zusätzliche Anstrengungen wird jedes dieser Kinder den Stab zur richtigen Zeit schlagen.

Sie sehen: es gibt eine aktive Art, Kinder die Arbeit ihrer Kollegen mitverfolgen zu lassen.

Was aber, wenn eine Gruppe von Kindern wirklich mal nichts zu tun hat?

Der Lehrer kann zwar von diesen Kindern verlangen, dass sie ruhig die Arbeit der andern Kinder mitverfolgen. Dies ist möglich – für einige Minuten; aber nicht für eine Viertelstunde (!). Der häufigste Fehler, der auch erfahrenen Lehrpersonen immer wieder unterläuft, ist jener, dass sie zwar Ruhe verlangen, sie aber nicht konsequent durchsetzen.

Das Verlangen von Ruhe ist also nur dann sinnvoll, wenn es danach wirklich RUHIG ist..

Von einem Kind Ruhe zu erwarten, welches ein Paar Schlaghölzer in den Händen hält, ist sowieso reichlich viel verlangt und auch ziemlich unrealistisch. - -

Kinder wollen tun! Sobald sie etwas in die Hand bekommen, was sich zum TUN eignet, "tut es automatisch mit ihnen"


 

  • Das Spannungsfeld von Unordnung und Ordnung

Musik (musizieren) ist eine kreative Tätigkeit. Gerade die Eltern unserer Schulkinder haben oftmals recht rigorose Vorstellungen, was "Ruhe im Schulzimmer" nun wirklich zu bedeuten hat. Wir alle kennen den Spruch: "Früher war das alles ganz anders: . . . . ."

Aber es gilt nun mal festzuhalten, dass bezüglich Ruhe nicht alle Schulfächer gleich zu behandeln sind. Oftmals läuft das "Kreativ sein" parallel mit einer gewissen Unruhe; - einer Unruhe, welche von den Kindern meistens nicht böswillig herbeigeführt wird, sondern welche durch die Tatsache entsteht, dass "es mit dem Kind tut". Am besten fahren wir, wenn wir diese Unruhe schon im Voraus "einplanen".

Zudem gilt für dieses heikle Thema der Leitsatz:

 

Unruhe ist nicht wirklich schlimm, wenn ich imstande bin, nach der Unruhe wieder Ruhe,Ordnung und Konzentration herzustellen - - -